Samstag, 17. September 2005

Von der Politbüro-Südkurve und den Geistern, die man rief.

"Politik in Deutschland ist runteramerikanisiert" - dieser Ausspruch scheint seit einiger Zeit an Gehalt zu gewinnen.

Nicht erst, seit sich die CDU in orangene Kluft wandet (die Farbe der ukrainischen Opposition und laut einiger Farbpsychologen die Farbe "des Siegers"), dumpfe "Angie-Plakate" schwingt oder die SPD als gewichtigste Wahlkampf-Botschaft einen umbra-farbenen Hintergrund für ihre Kampagne wählt (den gleichen Farbpsychologen folgend die Farbe der Kraft und Beständigkeit) muss ich mich fragen, ob die Politik-Verdrossenheit jetzt auch die Politik selbst erreicht hat.

Die Auftritte der Spitzenkandidaten schwanken zwischen "peinlich" und "dumm", die Ahnungslosigkeit in der Bevölkerung manifestiert sich im zweistelligen Zuspruch der rechten oder der Linkspartei. Und wo es am Inhalt mangelt, muss die Form das Loch füllen.

Also schaut der begeisterte Politiker in die Fußballstadien der Nation. Was dort möglich ist, muss doch auch auf der politischen Bühne zu machen sein. Von einem Milieu, in dem "you only sing when you're winning" eine Beleidigung ist, muss sich doch etwas lernen lassen.

Und so kommt es, dass wir im Wahlkampf 2005 Auftritte erleben, in denen scheinbar bezahlte "Grüßauguste" rythmisch klatschen und Parolen mit maximal vier Wörtern gröhlen.

Wie komme ich ausgerechnet heute Abend darauf? Stefan Raab sei Dank: Seine Wahlshow stellt den vorläufigen Tiefpunkt der Sinnentleerlung der Politik dar. Das schlimme: Selbst dort stellten die Parteien ihre Grüßauguste ab, um eine Stimmung wie in der Südkurve eines Fußballstadions zu simulieren. Hüftenökonom Mißfelder, offensiver Mittelfeldspieler der CDU und Silvana Koch-Mehrin, die Innenverteidigerin der FDP (vor der Saison nach Brüssel gewechselt, ablösefrei) durften diesen Kindergeburtstag mit heißer Luft beatmen.

An diesem Punkt wundert mich nicht, das eine "Trinke-Fanta-sei-Bamboocha"-Partei wie die Linkspartei einen großen Zuspruch erfährt. Aber es besorgt mich.

Selbst in meinem Umfeld - zum großen Teil akademisch geprägt - identifizieren sich Menschen mit diesen Inhalten. Wie kommt das? Das ist relativ einfach zu erklären: Sie denken nicht. Sie denken nicht, weil sie nicht denken, dass sie denken können. Nach jahrelanger Indoktrination mit semantischem Nonsens, der durch eine Fülle von Worten transportiert wurde, ohne etwas auszusagen, kommt niemand mehr mit. Und jetzt kommt der große Umschwung - hin zu den kriminell vereinfachten Ansichten. Wer an einem Plakat vorbeikommt, auf dem einfach nur steht "1.400 Euro für alle!" denkt sich: "Mensch, warum das Leben nicht mit dem großen Löffel essen?!"

Fünf Minuten nachdenken würde reichen - aber wer macht das schon im Fußballstadion? Niemand.

Damit geht also ein Wahlkampf vorbei, der mehr mit der Bundesliga als mit dem Bundestag zu tun hat. Gröhlende Polit-Ultras, Klatsch-Chöre, Fahnenschwenker.... wo sind eigentlich die Intellektuellen geblieben? Sie wenden sich angewidert ab.

Ist alles so schlimm? Nein - noch nicht. Noch ist ein intellektueller Unterschied zwischen Lukas Podolski auf der einen und Merkel, Schröder, Westerwelle etc. pp. auf der anderen Seite zu erkennen. Aber der Unterschied schwindet.

Warten wir also einmal die Sportschau nächste Woche ab. Vielleicht hat diese Aussage dann schon keine Gültigkeit mehr.

Freitag, 9. September 2005

Von fiesen Krankheiten und Print-Pendants

Endlich: Die Bild-Zeitung erklärt uns kundig die zehn fiesesten Krankheiten!

Ulkig: Bei jeder Krankheit musste ich kichern und feststellen, dass ich den Namen schon mindestens einmal als Synonym ebenjener Postille verwendet habe.

Okay: "Analthrombose" und "Scheidenpilz" waren noch nicht dabei. Werde ich aber in den nächsten Wochen verstärkt verwenden, gefallen mir gut, diese Begriffe in Zusammenhang mit der Bild.

Danke, Bild!

Von verschwendeten Gehirnen und Schwachgeistlichen.

Nunja. Ich lese an einigen Stellen von Hass-Predigern, die in ausnahmsloser Weise dem radikal-islamischen Lager angehörig sind. Was sie sagen, ist großer Unfug. Das muss ich zugeben. Gefährlicher Unfug.

Nunja. Ich lese jetzt Sachen wie
  • "Gott gießt seinen Zorn über Amerika",
  • "Gott hat den Sündenpfuhl New Orleans zerstört" und
  • "Gott setzt der Feier der Sünde ein Ende"
und denke mir: Was fährt nur in die Imame und Ajatollas?!

Indes: Dies alles stammt nicht von islamischen Geistlichen - es sind erzkonservative amerikanische Hass-Prediger wie Bill Shanks.

Das erinnert an ein Suchbild: Finden Sie den Unterschied zwischen dem islamischen und dem christlichen Prediger.

Viel Spaß beim Suchen! Was mich ärgert: Diese Menschen haben kein Hirn verdient - ein Rückenmark hätte auch gereicht.

Von Korrekturen und dem Zurückrudern.

Ach herrje.

Hier berichtete ich davon, dass "Meister Proper" jetzt "Mr. Proper" heißt.

Und jetzt schaue ich TV-Werbung und sehe: Er heißt wieder "Meister Proper".

Familie Proper liest offenbar mein Blog. Herrschaften: Dankt mir. Ich verbuche dies als ersten epochalen Erfolg meiner digitalen Zeitgeist-Schriftenreihe.

Huldigt mir - und Herrn Proper.

Samstag, 27. August 2005

Von konstruktiver Kritik und Deutschlands größter Kleinstadt.

Aachen. Verschämt (?) im westlichsten Zipfel der Republik versteckt, polarisiert die Stadt. Vor allem bei denjenigen, die hier leben. Ich will sie mal in drei Kategorien einordnen.
  1. Die Gebürtigen unkritischen.
    Wohl die größte Gruppe hier. In Aachen geboren und den Blick von Scheuklappen verstellt. Sie lieben ihre Stadt, finden sie großartig und können auch die tiefsten Abgründe zur touristischen Attraktion verkehren.
  2. Die Unfreiwilligen kritischen.
    Diese Gruppe kommt nicht freiwillig nach Aachen: Der Arbeitgeber oder das brach liegende bundesdeutsche Hochschulwesen treibt diese Gattung nach Aachen. In aller Regel löst das einen Kulturschock aus, da dieser Gruppe die Scheuklappen fehlen. Folgerichtig flüchten diese Menschen jedes Wochenende entweder zu Mama - oder nach Köln. Verständlich, wenn der Tellerrand nicht von Heinsberg bis Düren geht. Denn nur in diesem Bereich kann Aachen als Hecht im Karpfenteich herhalten
  3. Die Gebürtigen kritischen.
    Ja, auch diese Gruppe gibt es. Sie kommen aus Aachen, sind immer noch hier - und finden eben nicht alles prima. Sie geben aber die Hoffnung nicht auf, dass eines Tages alles besser wird. Ein Teil packt auch kräftig an und hilft, etwas "Kultur" nach Aachen zu tragen.
Ich werde es mir in Zukunft und unregelmäßig nicht nehmen lassen, hier mein Aachener Programm einer "Vorher/Nachher"-Betrachtung zu unterziehen: Bevor ich was unternehme, überlege ich mir, was (m)ich erwarte(t). Und hinterher fasse ich dann zusammen, was war.

Ich bin gespannt! Vielleicht überrascht es mich ja selber. Die Beiträge der Rubrik "Aachen" werden im übrigen nicht auf der Startseite erscheinen: Also einfach im Menü ab und an mal reinschauen!

Montag, 22. August 2005

Von Kirchenmännern und Auto-Scooter-Fahren.

So. Ich komme gerade vom Bahnhof Sindorf bei Kerpen zurück. Ich habe dort die letzten sechs Stunden verbracht, ausgestattet mit einer blendend-orangen Weste der Deutschen Bahn. Wieso, weshalb warum - dazu später mehr. Ich muss zunächst etwas weiter ausholen.

Zugegeben: Ich habe mit der Kirche so viel zu schaffen, wie der Papst mit dem Auto-Scooter-Fahren.

Und auch gitarrespielende, sandalentragende, zauselbärtige Gutmenschen sind mir ein ausgesprochener Graus.

Aber: 1997 bin ich unfallweise in den damaligen Weltjugendtag in Paris geraten. Mein Trip war von langer Hand geplant - und als ich vor Ort ankam, stellte ich voller aufrichtigem Entsetzen fest, dass Papst Johannes Paul II. die gleiche Idee hatte wie ich: Einfach mal mit ein paar Kumpels nach Paris fahren.

Vor meinem geistigen Auge sah ich mich spontan von Kampfgitarrenspielern umzingelt (Anmerkung 2005: Mein korrekter Begriff von 1997 lautete "Gitarren-Terroristen", was aber mittlerweile unschicklich ist).

Ich liebe es wirklich, wenn meine Vorurteile widerlegt werden. Genau diesen Gefallen taten mit die Teilnehmer des damaligen Weltjugendtages: Eine derart stressfreie, friedliche und dennoch ausgelassene und lebenslustige Stimmung habe ich davor und danach nicht mehr erlebt. Für jemanden, der das noch nicht erleben durfte: Es ist vergleichbar mit den 35 Sekunden nach einem Tor der Fußballnationalmannschaft, das man vor einer Großbildleinwand mit 2000 anderen Menschen bejubelt. Aber eben auch nur mit den ersten 35 Sekunden. Davor und danach dominieren Aggressionen über Fehlpässe, Menschen, die vermeintlich im Bild stehen oder unfähiges Thekenpersonal, das zu langsam zapft.
Bei so einem handelsüblichen Weltjugendtag sieht die Welt gleich ganz anders aus. Zu meiner damaligen größten Überraschung sind es vollkommen normale Menschen, die so eine Veranstaltung besuchen. Allein: Sie kommen aus Peru, Neuseeland, Bolivien, Italien oder den Philippinen. Gemeinsam haben alle eine beneidenswerte Gelassenheit und Freude.

Nun also zum Bahnhof in Sindorf. Nachdem der Weltjugendtag 2005 in Köln gleich vor meiner Haustüre bislang spurlos an mir vorübergegangen ist, war ich heute doch noch an der Reihe: Kurzfristig wurde es mein Job, an eben jenem Bahnhof in Sindorf die Leute, die sich auf dem Rückweg von der Papstmesse auf dem Marienfeld befanden, vollständig, zügig und möglichst in einem Stück in die Sonderzüge zu bugsieren.

Versetzen wir uns kurz in die Lage der Menschen, die da vor mir standen: Ungefähr eine Million Menschen finden sich auf einem Acker bei Köln zu einer Messe zusammen, viele haben bereits die Nacht zuvor auf diesem Acker verbracht (bei ca. 10 Grad!), sie lauschen einem weißgewandeten Mann, der nicht Michael Jackson heißt und müssen anschließend mit Sack und Pack gute sechs Kilometer über die Felder marschieren. Das alles nur, um dann am winzigen Bahnhof Sindorf anzukommen, der nur einen einzigen Bahnsteig hat. Hier stehen sie ungefähr weitere 3 Stunden in einer Schlange, bis die Bundespolizei sie auf den Bahnsteig lässt.

Herrschaften, vielleicht bin ich der einzige, aber: Ich hätte nach dieser Vorgeschichte dermaßen schlechte Laune, dass meine Halsschlagadern auf Ärmel-Kanal-Maße anschwellen würden.

Nun kommen also all diese Menschen auf den Bahnsteig und bekommen es dort mit mir zu tun. Einem Menschen, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat und dessen Job es ist, sie hinter der weißen Linie zu halten (was übrigens vollkommen illusorisch war!). Man sollte sich jetzt einmal vorstellen, wie sich die Szene unter den geschilderten Bedingungen dargestellt hätte, wenn es sich um Fußballfans nach einem Auswärtsspiel gehandelt hätte!
Ich erwartete also das schlimmste und wurde nach 1997 wiederum überrascht: Sie lachten, sie sangen, sie tanzten. Sie bedankten sich mit Handschlag bei mir, wenn sie im Zug waren (wieso eigentlich??). Sie traten im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen Schritt zurück, wenn ich sie dazu aufforderte. Mit einem Lächeln im Gesicht.

Ich stand also da, an diesem Bahnsteig in the middle of nowhere und überlegte. Wieso sind eine Million Menschen in der Lage, so miteinander umzugehen? Vor meiner Haustüre - dache ich bei mir - ist gerade Kirmes. Dort gehen täglich gerade einmal fünf Promille der Menschemassen umher - was sie nicht daran hindert, täglich kundig die Fäuste kreisen zu lassen. Gestern Abend war ich in einer Großraumdisko übelster Machart, und auch das Klientel passte zur Machart. Amöbenköpfe, randvoller Aggressionen. Erbärmlich, oberflächlich, stupide.
Im Gegensatz dazu die Menschen an diesem Bahnsteig. Welch ein himmelschreiender Unterschied!

Wie erwähnt: Ich habe mit der Kirche soviel zu tun wie der Papst mit dem Auto-Scooter-Fahren. Aber vielleicht sollten wir einmal überlegen, ob diese christlichen Werte (sie sind nicht christlich: Es sind die gemeinsamen Werte jeder Religion) nicht vielleicht doch ein erstrebenswertes Fundament bieten. Nicht jeder, der mir im Gedränge auf den Fuß tritt, will mich angreifen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, freundlich zu sein. Es ist kein Zeichen von Stärke, unfreundlich und abweisend zu sein. Ob jemand Verständnis für etwas hat, kann ich nur erfahren, wenn ich rede.

Anders kann ich mir den Unterschied zwischen den Menschen in Sindorf am Bahnsteig und denen, die durch jede beliebige deutsche Stadt laufen nicht erklären.

Während ich überlegte und mit Menschen aus allen Ländern der Erde sprach, war dann irgendwann auch der letzte in seinem Zug angekommen - und ich hatte "endlich" Feierabend.

Feierabend: Schade, fand ich.

Von sinnvollen Umbenennungen.

Ist es eigentlich irgendjemandem schon einmal aufgefallen?

Meister Proper heißt nicht mehr Meister Proper

Jawohl: Der allseits beliebte Meister Proper heißt seit geraumer Zeit nicht mehr so. Wie lange genau, kann ich nicht sagen. Dazu putze ich zu selten.
Allerdings fiel mir unlängst bei der genussvollen Beobachtung der TV-Werbung auf, dass der glatzköpfige Saubermann, der mich seit je her bei meiner hygienischen Konditionierung begleitet hat, einen neuen Namen hat.

Meister Proper heißt jetzt "Mr. Proper"

Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Mr. Proper (sprich: Mister Proper) eilt seiner Zeit offenbar voraus: Der deutsche Meister-Titel ist ja ohnehin vom Aussterben bedroht. So streicht der eifrige Marketing-Praktikant einfach ein "e" aus dem Meister - und in einem Aufwasch ist die Saubermann-Tinktur gleich international aufgestellt. Prima.

Aber: Ich wollte ja eigentlich von sinnvollen Umbenennungen berichten. Mister Proper zählt da gewiss nicht zu. Und auch nicht die "Bundesagentur für Arbeit", aber: Wir nähern uns hier der Sache.

Der Bundesgrenzschutz heißt jetzt: Bundespolizei

Ich fragte mich seit Jahren, warum der Bundesgrenzschutz so heißt, wie hieß. In der Bundesbahn das Prinzip "Law & Order" zur geschmeidigen Anwendung zu bringen, hat ja nun nichts mit Grenzen zu tun.
Diese Truppe Bundespolizei zu nennen, kommt der Sache ja nun wirklich näher: Eine Polizei, die direkt dem Bundesinnenminister untersteht, ist mit diesem Namen wahrhaftig besser bezeichnet!

Herzlichen Glückwunsch von meiner Seite.

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